Previous page     Contents     Next page

Vorwort

Die Entwicklung in den Fachgebieten Experimentelle Mineralogie, Geochemie und Geophysik wird in den kommenden Jahren weiter zu erheblichen Verbesserungen unseres Verständnisses über die Zusammensetzung, den Aufbau und die Dynamik des Erdinneren führen.

Dieses muß zum Teil als Konsequenz einiger neuer technischer Entwicklungen gesehen werden, die die experimentellen Arbeiten zur Untersuchung von Materie unter hohen Drücken und Temperaturen revolutionieren. Die Beschaffung einer neuen 5000-Tonnen-Vielstempel-Presse für Hochdruck-Experimente in der 2. Hälfte des Jahres 1997 durch das Bayerische Geoinstitut stellt ein Beispiel für diese Entwicklung dar. Wie die beiden bereits vorhandenen Großpressen wird dieses System Experimente unter Drücken bis 25 GPa und Temperaturen bis 2800°C ermöglichen, womit sich die Bedingungen in der Erde in Tiefen bis unterhalb 700 km simulieren lassen. Der Vorteil des neuen 5000-Tonnen-Systems liegt in der Möglichkeit, größere Proben oder kompliziertere Meßsysteme zu verwenden. Hierdurch wird die Meßgenauigkeit bei der in-situ-Bestimmung physikalischer Eigenschaften unter hohen Drücken und Temperaturen verbessert und der Meßbereich vergrößert werden. Zu diesen physikalischen Eigenschaften zählen die elektrische Leitfähigkeit, die Rheologie und die Elastizität. In diesem Jahresbericht wird dokumentiert, daß in diesen Bestimmungen schon ein erheblicher Fortschritt am Bayerischen Geoinstitut erreicht wurde. Die elektrische Leitfähigkeit der häufigsten Minerale in der Erde bis in eine Tiefe von 660 km, nämlich Olivin, Wadsleyit und Ringwoodit, wurde jetzt bei Drücken bis zu 18 GPa und Temperaturen bis 1400°C bestimmt. Die neuen Ergebnisse sind besonders für die Weiterentwicklung geophysikalischer Modelle zur elektrischen Leitfähigkeit des Erdinneren wertvoll. Derartige Modelle stellen die Hauptinformationenquellen für das Verständnis von Mineralogie, Zusammensetzung und Temperatur als Funktion der Tiefe dar. Zum ersten Mal konnten im vergangenen Jahr Experimente unter hoher Verformung an Ringwoodit bei hohen Drücken (16 GPa) und Temperaturen (1300°C) durchgeführt werden. Ringwoodit ist das häufigste Mineral der Übergangszone (410 - 660 km) im Erdmantel. Rheologische Erkenntnisse über diesen Tiefenabschnitt, die aus Verformungsexperimenten gewonnen wurden, sind für das Verständnis von Konvektionsvorgängen im gesamten Mantel entscheidend. Letzteres stellt eine der ungelösten Schlüsselfragen in den Geowissenschaften dar.

Die "dritte Generation" der Synchrotron-Strahlenquellen, die kürzlich an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Frankreich, an der Advanced Photon Source (APS) in USA und am SPring-8 in Japan in Betrieb genommen wurden, repräsentieren eine weitere für das Fachgebiet Experimentelle Geowissenschaften bedeutende Entwicklung. In diesen Einrichtungen werden Röntgenstrahlen mit Eigenschaften erzeugt, die eine Vielzahl von in-situ-Experimenten ermöglichen, die auf Untersuchungen von Kristallstrukturen, Zustandsgleichungen, die Reaktionskinetik und die Rheologie von kristallinen Festkörpern und Schmelzen unter Bedingungen des tiefen Erdinneren ausgerichtet sind. Bisher war die Beteiligung des Bayerischen Geoinstituts in derartigen Experimenten auf kristallographische und analytische Untersuchungen beschränkt. Nun ist vorgesehen, daß wir uns in Zukunft erheblich aktiver beteiligen. So ist zum Beispiel beabsichtigt, durch internationale Zusammenarbeit Synchrotron-Einrichtungen für neuartige Experimente zu nutzen, die die Untersuchung rheologischer Eigenschaften von Materie (sowohl Minerale als auch Schmelzen) unter extremen Temperatur- und Druckbedingungen zum Ziel hat.

Ein Indikator dafür, daß die Qualität der Forschungsarbeiten und der experimentellen Einrichtungen das Bayerische Geoinstitut in die vorderste Reihe der Hochdruck-Forschung in Europa stellt, wird durch die kürzlich erfolgte Entscheidung der Europäischen Union belegt, das Institut für weitere 2 Jahre (1998 - 2000) zu fördern. Diese bereits 1994 aufgenommene Finanzierung ermöglicht es Wissenschaftlern anderer Institute aus EU-Ländern, das Bayerische Geoinstitut für Zeiträume bis zu 3 Monaten zu besuchen, um dort die experimentellen Hochdruck-Einrichtungen zu nutzen. Bis zum Ende des Jahres 1997 hatten 51 Wissenschaftler aus 8 europäischen Ländern das Institut zu diesem Zweck besucht und dabei an insgesamt 1634 Tagen die Labors genutzt.

Wir freuen uns auf das vor uns liegende Jahr, für das eine Entwicklung in der Historie des Bayerischen Geoinstituts besondere Erwähnung finden soll. Professor Stephen Mackwell hat am 1. Januar 1998 seine Stelle als Professor für Experimentelle Geophysik der Festen Erde angetreten. Die Besetzung des dritten Lehrstuhls stellt das Endstadium der anfänglichen Wachstumsphase des Institutes dar. Nun ist es uns möglich, unsere Forschungsaktivitäten auf die Gebiete Rheologie und Massentransport unter hohen Temperaturen und Drücken auszudehnen.

Wie in den vorausgegangenen Jahren und auch im Namen meiner Kollegen möchte ich dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatsministerium für Kultus, Unterricht, Wissenschaft und Kunst, und der Kommission für Geowissenschaftliche Hochdruckforschung meinen Dank für ihre fortwährende Unterstützung und die enge Verbundenheit mit dem Bayerischen Geoinstitut aussprechen. Wir sind auch für die großzügige Förderung durch externe Geldgeber, insbesondere durch die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Europäische Union sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft sehr dankbar, die ebenfalls wesentlich zur Entwicklung und zum Erfolg des Bayerischen Geoinstituts beigetragen hat.
 
 

Bayreuth, Januar 1998
David C. Rubie

Bayerisches Geoinstitut, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, Deutschland
Tel: +49-(0) 921 55 3700 / 3766, Fax: +49-(0) 921 55 3769, E-mail: bayerisches.geoinstitut(at)uni-bayreuth.de